Eßstörungen (Laessle, aus Reinecker, Lehrbuch der klin. Psychologie, 1994)


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Laessle Eßstörungen (aus Reinecker, Lehrbuch der klin. Psychologie, 1994 1. Einleitung 2. Anorexia nervosa und Bulimia nervosa 2.1. Beschriebung der Störungsbilder Anorexia Nervosa Bulimia nervosa 2.2. Epi, Verlauf und Nosologie 2.3. Erklärungsansätze 2.3.1. Prädisponierende Faktoren Soziokulturell vorgegebenes Schlankheitsideal Lernerfahrung; individuelle Faktoren Bedingungen in der Familie Biologische Faktoren 2.3.2. Auslösenden Ereinisse 2.3.3. Faktoren der Aufrechterhaltung Psychologische und biologische Konsequenzen der Mangelernährung „Restrained Eating" Angstreduktion durch Erbrechen 2.4. Interventionsansätze Allgemeines Prinzip 2.4.1. Kurzfristige Strategien Programme zur Gewichtssteigerung bei A. Ernährungsmanagement bei Bulimia Nervosa 2.4.2. Langfristige Strategien 2.5. Prognostische Faktoren 3. Adipositas 3.1. Epi 3.2. Erklärungsansätze 3.2.1. Eßvh.; Regulation der Nahrungsaufnahme Externalität (Außenreizabhängigkeit) Gestörte Regulation der Sättigung Fehlender oder verzögerter Appetenzverlust Biologische Faktoren 3.3. Interventionsansätze 1. Einleitung „Normales Eßvh." schwer zu charakterisieren. statistisch-deskriptiv (was mehrheit tut) kann Vh. mit einschließen, das unangemessen ist Þ gestörtes Eßverhalten immer vor entsprechendem soziokulturellem und ökonomischen Hintergrund sehen DSM-III-R nennt unter „Eßstörungen" 5 Krankheitsbilder: Anorexia Nervosa Bulimia Nervosa Pica Rumination Disorder of Infancy Eating disorder not otherwise specified Übergewicht (obsedity) nach DSM-III-R nicht als psychiatrisches Krankheitsbild betrachtet, sondern als rein somatische Störung. In der klinischen Praxis aber fließende Übergänge. Deshalb alternativ dimensionales Modell vorgeschlage, je nach Ausprägungsgrad der Störung auf den Dimensionen „Körpergewicht" (starkes Untergewicht vs. Übergewicht und „Eßverhalten" (Fasten vs. Überessen). Trotz der Vorteile dieses System in Literatur bislang ausschließlich auf kategoriale def. Syndrome bezug genommen. 2. Anorexia nervosa und Bulimia nervosa 2.1. Beschreibung der Störungsbilder Anorexia Nervosa Merkmal: gravierender Gesichtsverlust (häufig >50% Ausgangsgewicht) Überwiegend durch strikte Reduktion der Kalorienaufnahme, zusätzlich andere Maßnahmen wie Erbrechen, übermäßigen Gebrauch von Abführmitteln oder Entwässerungstabletten, exzessiev körperliche Aktivität. Trotz kritischem Zustand minimalisieren/verleugnen Pat. lange die schwere der Krankheit (uninteressiert an Therapie). Folge des Gewichtsverlust und Mangelernährung vielzahl von somatischen Symtomen, wie: Hypothermie Hypotonie Bradykardie (unter 60) Lanugo (Flaumhaarbildung) Oedeme weitere metabolische und endokrine Veränderungen fast immer Amenorrhoe Alle Befunde verschweinen im allg. wenn Körpergewicht und Eßvh. wieder normalisiert. Psychisches Merkmal: Angst vor Gewichtszunahme, beharrliches Streben, dünner zu werden. ev. Panikartige Angst bei nur geringen (z.B. 50g; ev. nur antizipierten) Gew.zunahmen. Körperschema verzerrt! (geben trotz starker Abmagerung an, normale Figur zu haben, oder zu dick). Auch in anderer Hinsicht Beziehung zum eigenen Körper gestört: best. Körpersignale kaum beachtet (Hunger). Kleinste Mengen Nahrung können zu Klagen über Völlegefühl und Magenbeschwerden führen. Oft Unempfindlichkeit gg. Kälte oder sich selbst zugefügten Verletzungen. (zu Normalpers. signif. erhöhte Schwerzschwelle exper. nachgewiesen) Fortwährende Beschäftigung mit Thema „Essen". ev. Zwangsrituale in zus.hang mit Nahrungsmittel (Pat. lesen stundenlang Kochbücher, bereiten umfangreiche Mahlzeiten für andere zu) Bei ca. 50% nach einiger Zeit erfolgreichen Fatens Heißhungeranfälle. Der „Gefahr" der Gewichtszunahme dann oft durch selbstinduziertes Erbrechen begegnet. Þ bulimische Anorexie-Pt. (sog. „bulimics") unterscheiden sich klinisch und demografisch von Pat. mit nur Diät (sog. „restrictors") Deshalb Vorschlag, Anorexie in 2 Unterformen einzuteilen. bulimics sind bei Krankheitsbeginn älter, höheres prämorbides Gewicht, sozial anscheinend besser integriert, sexuell aktiver, deulichere Störung des Körperschemas, depressiver. DD: Körperliche Ursachen für Gewichtsverlust Bulimia nervosa Syndrom (außer Einzelfälle) erst ab 2. Häfte der 70er häufiger beschrieben. 1980 Bulimie als eigenständige Kategorie in DSM-III aufgenommen. (Wortsinn „ochsenhunger") Hauptmerkmal: wiederholte Eßattacken (meist rasches, hastiges, nicht kontrollierbares Schlingen größerer Nahrungsmengen, häufig hochkalorische, leicht eßbare Nahrung, kein Zubereiten) Anfälle mehrmals pro Woche bis mehrmals tärglich. im mittel 1-1.5 stunden, bis zu halbe Tage. Kalorienmenge im Schnitt dabei (USA-studie) 3000 Kcal, range 1200 - 11500 Kcal. Pat. extrem um Gewicht und Figur besorgt, körperliches Aussehen entscheidend für Selbstwertgefühl und Identität. Zur Vermeidung von Zunahme nach Eßattacken unmittelbar selbstinduz. Erbrechen oder Laxantien oder Diuretika in großen Mengen. Zwischen den Attacken meistens stark gezügeltes Eßvh., deshalb oft auch bei normalem Gewicht biologischer Zustand der Mangelernährung. Häufiges Erbrechen Gefahr für Mineralstoffwechsel mit Gefahr Herzrhythmusstörungen, Entzündung der Speiseröhre, manhcmal Verletzung durch mechanische Brechhilfe, Schwellung der Speicheldrüse, kariöse Zanhschäden, Hautveränderung, Haarausfall, Mehrzahl gestörten menstr. Zyklus. Gewichtschawnkungen von mehreren kg in wenigen Tagen, Gewicht im Schnitt aber im Normalbereich. Oft depressive Symptome, wie Stimmungslabilität, Wertlosigkeitsgefühle, Schuld- und Suizidgedanken bis zu Suizidversuch. Stimmungsschwankungen oft direkt mit bulimischem Anfall verbunden: Kurzfristige Erleichterung durch Erbrechen (Gewcihtszunahme verhindert), dann meist Schuldgefühle, Niedergeschlagenheit. Häufige Komplikation Alkohol-, Drogenmißbrauch. DD: Heißhungerattacken auch bei 50% der Adipösen, dort meist kein Erbrechen. bestimmte neurologische Krankh., Schizophrenie. Gemeinsames Merkmal von Bulimie- und Anorexie-Pat. ist übersteigerte Angst vor Zunahmen/dick werden. Auch bei Bulimie ev. erhebl. Gewichtsverlust zu prämorbidem Ausgangsgewicht (weil vorher übergewichtig), beinahe alle Diätphasen. Stark untegewichtige anorektische Pat. mit bulimischer Symptomatik sind normalgewichtigen m,it Bulimie demografisch, klinisch und psychometrisch ähnlicher als anorektischen Pat. ohne bulimisches Vh.! Deshalb Vorschlag, sie auch der Kat. Bulimia Nervosa zuzuordnen (dann Gewicht irrelevant) 2.2. Epi, Verlauf und Nosologie Epi 95% Anorexie Frauen. Prävalenzrate je nach Stichproben 1/800 - 1/100 für Frauen 12 - 20 Jahre. Wohl leichter Anstieg seit Beginn 70erJahre. Bulimia häufiger: Prävalenzschätzung (USA) 1% - 3% für Frauen 18- 35 Jahre. Weibl. Bev. in D. geschätzt 2.8%. Nur 1% Männer. Bei Bulimia Prävalenz in letzten Jahren deutlich zugenommen, wajrscheinlch mit weiterem Anstieg zu rechnen. Anorektische wie bulim. Pat. v.a. aus Mittel- und Oberschicht. Einzelne Sympt. bei jungen Frauen weit verbreitet (wegen heutigem Schlankheistideal): 2.6% der erwachs. Frauen in D. (ohne Diagnose Eßstörung) induzieren regelm. Erbrechen, 5% benutzen Laxantien zur Gewichtsregulation. 8% mind. 1x/Woche Eßepisode, die subj. als Eßanfall erlebt. Verlauf A. beginnt meist in früher Adoleszenz. Langzeitverlaufsergebnisse sehr verschieden (ev. aus methodischen Gründen), bei follow-up bis mind. 4 Jahre: 30% vollst. gebessert 35% gebessert 25% chronisch krank 10% verstorben rel. unabhängig von Behandlungsstrategie. In neueren Untersuchungen mit follow-up bis 20 Jahre bestätigt. Oft auch nach Wiedererreichen Normalgewichtes persistiernede anorektische Einstellung zu Gesicht/Figur. ca. 50% scheinen verändertes Eßvh. beizubehalten, ohne mass. Gewichtsverlust, aber mit Aufrechterhaltung physiologischer Dysfkt. (z.B. verminderte Ansprechbarkeit des sympathischen NS). B. häufig im frühen Erwachsenenalter. 4/5 erkranken vor 22.LJ. In ca. ½ der Fälle geht A. voraus. Zum Verlauf noch wenig bekannt. In klinischen Stichproben mittl. K.dauer von 5 Jahren bevor erste Beh.versuche. 32% seit mehr als 10 Jahren Eßstörung. 2-jahre-follow-up: 40% deutlich gebessert 20% teilweise gebessert 40% chronisch erkrankt Nosologie Depressive Sympt. häufiger als bei nicht-psychiatr. Vergleichsgruppen. Familienangehörige erhöhtes Risiko für affektive Erkrankungen. Pat. mit Eßstörungen sprehcne manchmal auf antodepr. Med. an und reagieren in vielen biolog. Fkt.tests ähnlich wie Depressive. Untersuchungen zeigen aber, daß psychol. und physiol. Korelate der Eßstörung sekundär zu depressiven Sympt. führen. Viele anorektische Sympt. zwangartigen Charakter (Kalorienzählen, Eßrituale). Empirische Befunde legen nahe, daß zwischen Magersucht und Zwangsstörungen enge Zusmmenhänge, und daß A.Pat. mit ausgeprägter Zwanghaftigkeit schlechtere Prognose. Für B. Zusammenhang mit Abhängigkeitserkr. diskutiert, gemeinsames Grundlage ev. eingeschränkte Impulskontrolle. 2.3. Erklärungsansätze Überlegungen zu Pathogenese und Ätiologie orientieert an WEINER (1977) allg. Modell psychosomatischer Störungen (Interaktion multipler Prädispositionsfaktoren mit spezifischen auslösenden Bedingungen angenommen. Faktoren zur Aufrechterhaltung gesondert beatrchtet. 2.3.1. Prädisponierende Faktoren Soziokulturell vorgegebenes Schlankheitsideal Seit 70er Jahren Schhönheitsideal immer schlanker, Durchschnittsgewicht eher gestiegen (günstige Ernährungsbedingungen, geringe körperliche Beanspruchung). Þ ca. 20% Frauen regelmäßige Schlankheitsdiäten, 6% permanent Diätvorschriften Erfolgreiche Gewichts- und Figurkontrolle dabei zunächst deutlich positive Konsequenzen (Selbstwertgefühl, Problem in Phase der Identitätsentwicklung) Lernerfahrung; individuelle Faktoren indiv. Lernerfahrung mit Nahrungsaufnahme! z.B. Nahrungsverweigerung schon in frühkindlichem Stadium Mittel um Umgebung zu manipulieren (kann im Anfangstadium von A. zum Tragen kommen). Bei B. könnte erlebtes Ausmaß relevant sein, in dem Essen als Ablenkung, Belohnung oder Entspannung eingesetzt wurde (weinendes Kind Þ Schokolade) Þ Wahrscheinlich, daß in ähnlichen Situationen wieder „Essen" eingesetzt, v.a. wenn andere Problemlösestrategien fehlen. Ev. auch „Verlernen" normaler Hunger- und Sättigungsempfindungen bei häufig von physiologischen Bedürfnissen abgekoppeltem Essen. Weitere individuumsspez. Risikofaktoren angeblich: besondere Schwierigkeiten bei Entwicklung von Autonomie/Identität Schwieriglkeiten bei Wn. und Beurteilung des eigenen Körpers und bei Differenzierung innerer Zustände und Gefühle (z.B. Trauer, Hunger, Müdigkeit) zwanghafte, perfektionistische Pers.struktur, bei ausgeprägter Abhängigkeit von externen Standards Kognitive Charakteristika mit teilweise noch präkonzeptuellem Niveau („Alles-oder-Nichts"- Denken, Personalisierung etc.) Bedingungen in der Familie MINUCHIN (1978) formuliert systemorientierte Theorie der Entstehung psychosomatischer Krankheiten. Familiensystem eßgestäörter Pat. gekennzeichnet durch spezifische Interaktionsmuster mit: Verstrickung Rigidität Überbehütung Konfliktvermeidung Mangel an Konfliktbewältigung Eßgestörtes Kind hat dabei Fkt., Stabilität des Familiensystems aufrecht zu erhalten und offene Konfliktre zu verhindern. (empirisch gestützt, aber nicht kausal belegt. Ev. systemischer Ansatz mehr Beitrag zur Aufrechterhaltung als Genese von Symptomatik) Biologische Faktoren bei A. primäre hypothalamische Dysfkt. diskutiert. Alle neuroendokrinen Veränderungen bei A. aber auch durch exper. induzierte Mangelernährung hervorrufbar. Primäre hypothalamische Störung deshalb unwahrscheinlich. Für B. wurde primäre Störung bzw. spez. Vulnerabilität des serotonergen Systems angenommen. Vermutlich aber eher Konsequenz des pathologischen Eßvh. Wesentlicher biolog. Risikofaktor ist genetisch bedingter relativ erniedrigter Energieverbrauch, damit Prädisposition zu höherem Gewicht bei normaler Nahrunfsaufnahme Þ Schlanheitsvorstellung nur bei deutlicher Einschräkung der Lalorien machbar (empirische Stützung: B. Pat. prämorbid häufig leicht übergewichtig) 2.3.2. Auslösenden Ereinisse Vor Beginn A. und B. häufig life-events mit Gemeinsamkeit „Anforderungsanforderung" , denen Pat. zu diesem Zeitpunkt nicht gewachsen. Strikte Reduktionsdiät an sich kann bei vuln. Pat. schon fortgesetztes Diätieren und path. Einstellung zu Gewicht/Figur hervorrufen. Auch körperliche Aktivität als Auslöser diskutiert, weil exper. gezeigt, daß Zunahme physischer Aktivität Verringerung der Kalorienaufnahme mitsichbringt. 2.3.3. Faktoren der Aufrechterhaltung Bei A. und B. durch verändertes Eßvh. vielfache psych. und physiol. Veränderung, die zur Aufrechterhaltung betragen, auch wenn ev. auslösende Bed. nicht mehr vorhanden: Psychologische und biologische Konsequenzen der Mangelernährung bei A. circulus viciosus durch Mangelernährung beschrieben: Mangelernährung Þ ständige gedankliche Beschäftigung mit Essen gravierende Veränderungen im affektiven (Depr., Reizbarkeit) und kognit. Bereich (Konzentrationsmangel, Entscheidungsunfähigkeit), veget. Fkt. negativ beeinflußt (Schlaf, Sexualität). Auf psychosoz. Ebene durch abnormes Vh. Isolation, zusammen mit Desinteresse an anderen Bereichen Þ Vergrößerung der Defizite in Selbstwertgefühl und Selbstwn. Þ dieser Mangel an Erfolg in zw.menschl. Bereich versucht auszugleichen durch vermehrte Kontrolle von Gewicht/Figur (um Attraktivität zu erlangen). Mangelernährung fürht zu metabolischen und endokrinen Veränderungen, die wohl zur Herabsetzung des Kalorienbedarfs dienen. Diese persistieren auch bei ausreichender Kal.zufuhr noch längere Zeit. Þ durch normales Eßvh. (kurzfristig) Gewichtszunahme Þ Aktivierung spez. Ängste der Pat. Þ weiter Kontrollversuch über Eßvh. dadurch normalisierung biolog. Normen langfristig verhindert. Völlegefühl selbst nach kleinsten Mahlzeiten ev. wegen sekundärer Veränderung gastrointestinaler Fkt. (z.B. Magenmotilität, Magenentleerung) „Restrained Eating" Pat. mit B. an Tagen ohne Eßanfälle extrem gezügeltes Eßvh. Dabei „restrained eating" als Faktor der Entstehung und Aufrechterhaltung von Eßanfällen diskutiert. A.Pat. und normalgewichtige Pat. mit B. berichten nämlich häufig, daß Heißhungeranfälle erst nach längerer Phase des Fastens. Auch bei Diätexp. treten während und danach Heißhungeranfälle bei Vps auf, die vorher nie erlebt. Þ restrained-eating-paradigma (Auslöser für Attacken) Bei restrained-eaters kann die angestrebte kognitive Kontrolle über Eßvh. nach versch. disinhibitorischen Reizen (Angst/Stress, Gabe von Vormahlzeit, Alkohol etc.) nicht aufrecht erhalten werden. = counterregulation (wohl exper. Analogon zu bulimischen Heißhungeranfällen, die ebenfalls oft nach Streß oder Überschreiten einer selbstgesetzten Diätgrenze auftreten) Angstreduktion durch Erbrechen ROSEN U. LEITENBERG (1985) nehmen an: Eßanfälle (wenn etabliert) werden v.a. durch das nachfolgende Erbrechen aufrechterhalten. Während Eßanfall nimmt Angst zu (Gewicht, Figur), Erbrechen führt dann kurzfristig zu Angstreduktion Þ negative Verstärkung für vorangehendes Vh. (Eßanfall) Gültigkeit in Studien zumindest für Teilgruppe von B.Pat. belegt 2.4. Interventionsansätze Allgemeines Prinzip Grundsätzlich 2 Schienen (two-track-approach, GAARNER U. ISAACS, 1986) 1. kurzfristig direkte Modifikation des Körpergewichts bzw. Eßvh. notwendig (!) um möglichst rasche Rückbildung biolog. Dysfkt. zu erreichen 2. langfristig psycholog. und psychosoz. Bedingungen in fkt. Zusammenhang mit gestörtem Eßvh. ändern 2.4.1. Kurzfristige Strategien Programme zur Gewichtssteigerung bei A. Wegen somatischer Gefährdung bei A. meistens zunächst stat. Aufenthalt nötig. Zur kurzfristigen Wiederherstellung normalen Körpergew. am operante Prinzipien (vh.therapeutische Programme) am besten bewährt (systmetatischer Einsatz von Verstärkern für Gewichtszunahme). Im Gegensatz zu früher heute Versuch, das Ausmaß an Fremdkontrolle so gering wie möglich zu halten. Wesentlich Therapievertrag (soll Prinzipien und Maßnahmen transparent machen und festschreiben) Ernährungsmanagement bei Bulimia Nervosa Biolog. Dysfkt. hängen oft weniger mit Eßanfällen als mit der intermittierenden Mangelernährung zusammen. Ziel des Ernährungsmanagement deshalb Normalisierung des alltäglichen Eßvh. ausreichende Kalorienzufuhr adäquate Nahrungszusammensetzung zeitliche Verteilung der Nahrungsaufnahme Programme dazu in Phasen: 1. Diagnose des Eßvh. (Selbstbeobachtung, strukt. Interviews) 2. Informationsvermittlung und Edukation (physiologische und psychologische Konqequenzen von Mangelernährung) 3. Übungsphase (Kontrakt-, Kontongenzmanagement) 2.4.2. Langfristige Strategien Weil von multifaktoriellem Modell der Entstehung und Aufrechterehaltung a. und b. Symptome Þ zur langfr. Behandlung multimodales Konzept: Kognitiv-vh.ther. Strategien dysfkt.nale Denkschemata und irrationale Annahmen modifizieren (Bereiche Gewicht, Figur, Eßvh., Nahrungsmittel, interpersonaler und Leistungsbereich). Zahlreiche Studien belegen Erfolg Training in Problemlösen und Streßbewältigung bei vielen Pat. ineffektiver Umgang mit problem. Situationen Þ Training der allgem. Problemlösestrategien, Einübung alternativer Bewältigungsstrat. für belastende Sit. Û möglichst nicht mehr pathologisches Eßvh. als Mittel der Kontrolle zurückgreifen. Wirksamkeit mehrfach demonstriert. Training der Körperwn. Ergänzung kogn. Techniken durch z.B. Video-konfrontation, körperorientierte Therapieverfahren. empirische Überprüfung steht aus. Familienorientierte Therapie zunächst Beleuchtung der dysfkt.ellen Vh.muster in der Familie, die Symptome aufrecht erhalten oder verstärken. dann schrittweise Strukturen des Systems modifizieren, z.B. „Familienmahlzeiten". Neuere Ergebnisse zeigen, Familienther. wohl v.a. bei jüngeren Pat. indiziert Exposition und Reaktionsverhinderung (ERV) ERV in verschiedenen Variationen eingesetzt: z.B. Situation herstellen, die normalerweise Eßanfall auslöst (Kosten eines „verbotenen" Nahrungsmittel), dann verhindern. Zusätzlich alternative Bewältigungsstrat. für diese krit. Sit. vermitteln, z.B. Entspannung. Andere Möglichkeit (basierend auf Idee, daß Erbrechen neg. Verstärkung) in Therapiesitzung ermutigen, soviel zu essen, bis Angst so stark, daß Pat. erbrechen will (weiß im voraus, daß nicht erbrechen kann!). Therapeut solange anwesend, bis Wunsch zu Erbrechen anchläßt. Nachteil: häufig sehr starke Angst; schwer kontrollierbar, ob nicht später doch noch erbrochen. Für Teilgruppe von b.Pat. jedoch Erfolg belegt. 2.5. Prognostische Faktoren Analyse 24 follow-up-studien zu A. relativ konsistent folgende Faktoren als prognostisch ungünstig (HERZOG ET AL., 1988): längere Krankheitsdauer Erbrechen/Bulimie/Laxantien-Abusus Persönlichkeitsstörungen gestörtes Familiensystem günstige Prognose: früher Beginn, rechtzeitig behandelt Kein Zusammenhang zw. Gewcihtssteigerung während Klinikaufenthalt und lämgerfristiger Besserung. 7 Studien zu B. (follow-up mehr als 1 Jahr; z.B. FICHTER ET AL., 1992) prognostisch ungünstig: Komorbidität Alkoholabhängigkeit mehrfache Suizidversuche in Vorgeschichte extreme Störung des Körperbildes 3. Adipositas Vielzahl von Adipositasdef., die alle insofern übereinstimmen, als daß direkt oder indirekt auf Relation Fettgewebe/fettfreie Körpermasse abheben. Möglcihkeiten der Bestimmung: exakte Bestimmung sehr aufwendig Messung Hautfaltendicke verschiedene Gröe/Gewichtsindices Referenzgewicht nach Broca (cm-100 kg) „Idealgewicht" Tabellen(nach emp. Lebenserwartungstat. von USA Lebensversicherungen) annähernd Broca - 10%-15% in wiss. Lit. fast nur Body-Mass-Index (BMI kg/m2), Korrelation zu Fettgewebsmasse ca. .80 Nach BRAY Übergewicht ab BMI von 24, Adipositas ab BMI von 30. Früher Annahme, daß Übergewichtsgrad und Mortalitätsrisiko Zusammenhang (v.a. Erkrank. des kardiovask. Systems), neuere Erkenntnisse Þ leichtes bis mäßiges Übergewicht keine gesundheitl. Risiken. Andere Ergebnisse Þ nicht Ausmaß des Übergewichts allein ausschlaggebend, sondern regionale Fettverteilung. Besonders risikobehaftet Pat. mit Fettkonzentration im Bauchbereich („apple shape"), gleichförmige Vertelung weniger gefährlich („pear shape") Häufig Probleme nicht Gesicht an sich, sondern subjetive Bewerung und Einschätzung. ABER: Massive Abweichungen vom Idealgewicht (>30%) in Altersgruppe bis 50 Jahre mit deutlich erhöhtem Mortalitätsrisiko Þ gewichtareduz. Interventionsmaßnahmen nötig. (Folgeerscheinungen ev. Bluthochdruck, Diabetes, Hypercholesterinämie etc.) 3.1. Epi Deutsche Herz-Kreislauf-Präventionsstudie (DHP, 1989): Alter 25-69: 41% Frauen und 61% Männer BMI zw. 24-30 17% Frauen und 15% Männer BMI > 30 deutlicher Zusammenhang zw. Lebensalter und Übergewicht Häufigkeit von Übergewicht nimmt mit steigendem sozioökonomischem Status ab 3.2. Erklärungsansätze Notwenidige Voraussetzung zur Manifestation von Adip. ist positive Energiebilanz. Durch: Energiezufuhr erhöht Energiebedarf vermindert (z.B. Bewegungseinschränkung) Energiestoffwechsel generell verändert Einheitl. Erklärungsmodell zu Entstehung und Aufrechterhaltung von pos. Energiebilanz existiert nicht. Adip. wie A. und B. multifaktorielle Ätiologie: 3.2.1. Eßvh.; Regulation der Nahrungsaufnahme Mehrere Feldstudien deutliche Hinweise aif erhöhte Kalorienzufuhr bei Übergewichtigen. Allerdings auch Teilgruppe Adipöser, die in Kalorienaufnahme von Normalgewichtigen nicht unterscheiden. Vh.psychologische Froschung untersucht Bedingungen für erhöhte Kalorienaufnahme: Externalität (Außenreizabhängigkeit) SCHACHTER 1971 „Externalitätshypothese": Übergewichtige eher außenreiz-, weniger innenreizgesteuert. Eßvh. weitgehend determiniert durch „environmental food cues" (Aussehen/Geruch, Uhrzeit, Menge, Verfügbarkeit etc.). Adipöse dagegen weniger sensitiv gg. internale physiologische Hunger- und Sättigungssignale. Neuer Arbeiten konnten dies nicht immer bestätigen. PUDEL (1982) belegt, daß Externalität kein spezifisches Merkmal Adipöser ist. Normalgewichtige „gezügelte" Esser ebenfalls erhöhte Außenreizabh. Þ spricht gg. spezifischen ätiol. Zusammenhang zw. Externalität und Übergewicht. Da viele Adipöse häufig Versuche zur Gewichtskontrolle machen, wahrscheinlich Exteranlität Folge der bei Diät auftretenden Deprivationszustände. Gestörte Regulation der Sättigung PUDEL (1982) zeigt veränderte Sättigungsregulation bei Adipösen. im Eßlabor Nahrungsaufnahme weitgehend unbeeinflußt von internen Sättigungssignalen Þ langfristig positive Energiebilanz. Fehlender oder verzögerter Appetenzverlust Sättigung: körperlich lokalisierbare Sättigung (Magendruck, Völlegefühl) psychische Sättigung (Appetenzverlust, Geschmacksaversion) Adipöse benötigen offenbar mehr orale Stimulation bis zum selben Appetenzverlust wie Normalgewichtige. Beides (gestörte Sättigung und Appetenzverlust) tritt aber auch bei normalgewichtigen „gezügelten" Essern. Þ ev.nicht nur als Ursache, sondern als Folge des mit Gewichtskontrollversuchen einhergeh. Energiemangelzustandes interpretierbar (PUDEL ,1985) Biologische Faktoren Neuere Ergebnisse: genetische Faktoren spielen große Rolle. Untersuchung an 540 Adoptivkindern: hohe Korr. zw. rel. Gewicht der Kinder und leiblihcer Eltern kein Zusammenhang mit rel. Gewicht der Adoptiveltern ! Auch Studien an ca. 2000 monozyg. und dizyg. Zwillingen belegen starke genet. Komponente. Konkordanzrate bei monozyg. doppelt so hoch. Heretabilitätskoeefizienten für BMI mit 20 Jahren .77, mit 45 Jahren .84. Mechanismus, über den sich genet. Komponente manifestiert aber noch unklar. Annahmen: Anzahl der Fettzellen entweder genetisch festgelegt oder bereits im Säuglingsalter festgelegt Einmal angelegte Fettzellen können nicht mehr eliminiert werden, nur noch in Größe verändert. Ev. bei Adipösen trotz normaler Ernährung positive Energiebilanz, weil sie eingeschränkte alimentär induzierte Thermogenese haben. Dazu könnte Insulinresistenz beitragen, die bei Subgruppe Adipöser festgestellt. Ev. auch verminderte Ansprechbarkeit des sympathischen NS auf Änderung der Energiebilanz eine Rolle. Weiterer Faktor für gesteigerte Nutzung zugeführter Energie scheint in Vermehrung der Lipoproteinlipase, die verantwortlich für Hydrolyse von Fettsäuren in Lipoproteine, die dann in Fettzellen gespeichert werden verminderter Energieverbrauch aber ev. nicht Ursache, sondern Folge von den häufig durchgeführten Reduktionsdiäten: tierexp.: wiederholte Gewichtsreduktion Þ ev. erhöhte metabolische Effizienz (beim Menschen analoge metabolische Veränderungen anzunehmen) Þ Energieverbrauch erniedrigt, auch wenn Kalorienzufuhr langfristig normalisiert Þ wiederholte Versuche der Gewichtsabnahme führen langfristig ev. paradoxerweise zu Erhöhung des Gewichts! 3.3. Interventionsansätze Erste vh.therap. Programme v.a. mit Selbstbeobachtung von Nahrungsaufnahme und Stimulus-kontroll- techniken. Relativ schlechte langzeit-erfolge. Seit den 70er deutlicher Wandel in Strategien. Derzeit multidimenaional: neben vh.therap. Techniken kognitive Maßnahmen, nutritive Edukation, Gymnastik- und Bewegungsprogramme, soziale Unterstürtzung, Vermittlung spezif. Stratregien zur Rückfallprophylaxe Vh.therapeutische Techniken v.a. Ansätze der Selbstkontrolle Selbstbeobachtung Vh.analyse; situatiative und personeninterne Bedingungen der Nahrungsaufnahme Zileplanung (selbstständig festlegen) Stimuluskontrolle (Kontrolle über diskriminativce Stimuli) Selbstkontrolle des Eßvorgangs Inkompatible Vh.weisen als Alternative zu unöötigen Zwischenmahlzeiten Selbstbelohnung für Zielannäherung Selbstinitiierte Verstärkung durch Umwelt einsetzen (z.B. selbsternannte „Cotherapeuten") Kognitive Umstrukturierung Identifikation und Modifikation negativer Einstellungen und Selbstverbalisationen (z.B. alte Einstellung „es dauert ewig, bis ich endlich abnehmen werde", Alternative „aber ich nehme bereits ab, und diesmla werde ich lernen, wie ich mein Gewicht halten kann" etc.) Einstellungsänderungen sollten in alle anderen Teile des Therapieprg. integriert werden Edukative Maßnahmen zur Ernährung adäqute Ernährung Informatiuon zur Veränderung von Ernährungsgewohnheiten, die nicht nur kurzfristig zur Gewichtsreduktion nützlich sind, sondern langsfrostig Umstellung des alltäglichen Eßvh. gewährleisten! Û Wissen über ausgewogene Ernährung, Zubereitung von Speisen etc. Körperliche Aktivität so angenehm gestalten und möglichst gut in Alltagsaktivitäten integrieren (z.B. Treppensteigen statt Aufzug etc.) Strategien zur langfristigen Aufrechterhaltung von Gewichtsverluste im scvhnitt auch nach multidim. Beh. innerhalb eines Jahres wieder 1/3 des Gewichts zu Zur Verbessergun der Langzeiteffekte spezifische Techniken zur Rückfallprophylaxe bereits während Therapie nützlich. Gewichtsverlust kann offenbar besser gehalten werden, wenn spezifisxche Nachsorgemaßnahmen getroffen (z.B. Planung von körperl. Aktivität, Therapeutenkontakt etc.) über mind. 1 Jahr 3.4. Bewertung von Behandlungseffekten Körpergewicht: vh.therap. orientierte Prg. führen kurzfr. zu größerer Gewichtsred. als alternat. Methoden gleicher Akzeptanz Pharmatherap. mit Fenfluramin aber kurzfr. genauso wirksam wie VT nach 1 J. aber med. beh. Pat. im schnitt 60% des Gewichtsverlustes wieder zugenommen dagegen Gewichtsverluste mit multidimens. psychol. Prg. 1-2 Jahre gehalten für längere follow-ups aber auch VT-Erfolge nicht sehr ermutigend Abbruchquote: bei VT ca. 12% Þ erheblich niedriger als andere Beh.formen (z.B. Selbsthilfegruppe 50%) Psychologische Effekte: traditionelle Methoden (z.B. reine Diät) in mehr als ½ der Fälle Symptome wie depress. Verstimmung, Ängstlichkeit, Reizbarkeit, Müdigkeit KVT-methoden kaum negative emot. Begleiterscheinungen (eher pos. in bezug Körperbild, Depressivität 3.5. Prognostische Faktoren Replizierte reliable Prädiktoren für erfolgreiche Gewichtsreduktion liegen bislang nicht vor. (z.B. Studie: gute Compliance zu Beh.methode und großer Gewichtsverlust in ersten 2-4 Wochen prognostisch günstig) 3.6. Abschließende Bemerkung Langzeiteffekte auch komplexer Therapieprg. eher pessimistisch zu beurteilen. Die biologischen Konsequenzen multiplen Diätierens und psycholog. Effekte des Therapieversagens können zu Hilflosigkeit und weiterer Herabsetzung des Selbstwertgefühls führen. V.a. bei leichtem bis mäßigem Übergewicht ist vor Therapie eingehend zu diskutieren, ob unabdingbar notwendig und welches Ausmaß realistisch zu erwarten. Bei vielen Klienten langfristig (auch nach rein medizinischen Kriterien) günstiger, durch Beh. nicht primär Gewichtsabnahme anzustreben, sondern qualitative Umstellung der Ernährungsgewohnheiten.